Es ist nicht so, dass jedes Sandkorn dem anderen gleicht. Wüstensandkörner sind rundlich und glatt, über Jahrtausende vom Wind geformt. Sandkörner aus Flüssen und von Meeresstränden sind kantiger und rau. Kleine Teilchen, die durch Jahrtausende dauernde Erosion von Bergen entstanden sind und deren langer Weg durch Strömung, Wasser und über harte Untergründe Spuren hinterlassen hat.
Diese kantigen Körner sind heiß begehrt in der Baubranche, denn sie bilden eine wichtige Grundlage für die Herstellung von Beton. Die Nachfrage ist weltweit so groß, dass sich Kriminelle daran gemacht haben, ganze Inseln etwa in Indonesien abzutragen und den Rohstoff an Industrielle boomender Metropolen zu verticken.
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP schätzt, dass jährlich weltweit 30 Milliarden Tonnen Sand für die Herstellung von Beton verwendet werden. Viel mehr, als die Natur nachliefern kann. Viel zu viel, um keine Spuren zu hinterlassen und Ökosystemen zu schaden oder sie sogar zu vernichten.
In Deutschland gibt es noch genügend Möglichkeiten, Sand aus Gewässern auf legalem Weg zu beschaffen. Doch das macht den Baustoff Beton nicht weniger problematisch. Neben Sand besteht er aus Kies, Wasser – und Zement. Obwohl in Zement eigentlich die natürlichen Rohstoffe Kalk und Ton stecken, ist seine Herstellung weltweit für rund acht Prozent der Kohlenstoffdioxid-Emissionen verantwortlich.
Beim Erhitzen entsteht zweifach CO2
Wie kommt das? Kalk und Ton werden zermahlen und anschließend auf über 1.400 Grad erhitzt. Bei dieser Temperatur verschmelzen die Korngrenzen miteinander. Das Produkt, der sogenannte Klinker, wird noch einmal gemahlen und dem Wasser, Sand und Kies beigemischt – als Bindemittel hält er die Materialien zusammen.
Die Treibhausgase entstehen, weil die Öfen nach Angaben des Verbandes der deutschen Zementindustrie (VDZ) noch immer zu dreißig Prozent mit fossilen Brennstoffen geheizt werden. Die setzen beim Verbrennen den Kohlenstoff wieder frei, den sie im Lauf der Jahrtausende aus der Atmosphäre gebunden haben. Das gleiche macht der Kalkstein, wenn er erhitzt wird.
Die Industrie gelobt Besserung: „Wir müssen ressourcenschonender Bauen, komplett von fossilen Brennstoffen weg und vor allem mit weniger Klinker auskommen“, sagte VDZ-Präsident und Deutschlandchef von Heidelberg-Cement Christian Knell dem „Handelsblatt“ im November 2020. Das Ziel: Klimaneutralität bis 2050.
Kein Anreiz für Änderung
Indes, der Druck, dies zu erreichen, ist nicht allzu groß. Zum Beispiel haben PolitikerInnen es versäumt, im Gebäudeenergiegesetz (GEG) zu berücksichtigen, wie viel Energie aufgewendet werden muss und wie viele CO2-Emissionen es verursacht, ein Gebäude zu bauen.
Trotz des Engagements von Branchenverbänden wie dem Architektenbund, Architects for Future, dem Bauwende-Bündnis und Umweltverbänden findet diese sogenannte Graue Energie keine Berücksichtigung bei der Berechnung, wie Effizient ein Gebäude ist.
Das bedeutet, dass die Energieeffizienz eines Hauses aus Beton, das mit Styropor gedämmt ist, genauso berechnet wird wie die eines Holzhauses, das mit natürlichen Dämmstoffen gedämmt ist. Förderungen etwa werden vergeben, wenn ein Gebäude effizient gedämmt ist, wenn es einen geringen Heizbedarf hat und der aus erneuerbaren Energien gedeckt wird.
Dabei fällt unter den Tisch, dass ein konventionell mit Beton gebautes Haus wegen der verwendeten Materialien schon vor der Bauphase eine Menge CO2 in die Atmosphäre geblasen hat – während ein Haus aus Holz das Gegenteil tut.
Denn in natürlichen Rohstoffen wie Holz ist Kohlenstoff aus CO2 gebunden. Anders als bei der Verarbeitung von Kalk und Ton zu Zement bleibt er das auch, wenn Holz für den Bau eines Hauses verwendet wird.
Ein mächtiger Hebel, ungenutzt
Hier die Kriterien neu zu definieren und Anreize für Bauherren und –Unternehmen zu schaffen, darauf zu achten, dass ein Haus schon in der Herstellung so wenig Treibhausgase wie möglich ausstößt, wäre ein Hebel, um Klimawandel und Umweltverschmutzung schnell und effizient entgegenzuwirken. Doch tatsächlich: Das GEG ist nicht aus dem Jahr 1950, es gilt seit dem November 2020.
54 Zementwerke, davon 33 mit Klinkererzeugung, gibt es in Deutschland, die Betreiber sind gut vernetzt und haben eine starke Stimme, die sich bei Entscheidungsträgern Gehör verschafft. Aus gutem Grund. Die Herstellung von Zement ist nach wie vor ein lukratives Geschäft. Der Umsatz lag 2019 laut VDZ allein in Deutschland bei 2,5 Milliarden Euro.
Das ändert nichts daran, dass es den Hebel gegen Umweltverschmutzung und Klimawandel gibt – ebenso wie zahlreiche, nachhaltige Alternativen zu Beton. Wie in vielen anderen Bereichen hält ihn jede einzelne Verbraucherin und jeder Verbraucher in der Hand: Wer sich entscheidet, ein Minihaus zu bauen, kann sich auch entscheiden, es auf nachhaltige Weise zu tun.