“Wenn du mit Holz rechnest gibt es immer wieder neue Varianten”

Nur Mathe zu studieren war Anton Klöck zu trocken, also hat er sich für Bauingenieurwesen entschieden. “Zum Glück!”, sagen wir. Im Ingenieurbüro Klöck & Wiesener errechnet er gemeinsam mit seinem Partner Michael Wiesener die Tragfähigkeit scheinbar schwebender Einfamilienhäuser ebenso wie die von Bürogebäuden, Schulen und Wohnanlagen. Auch wir profitieren von seiner Erfahrung und seinen Rechenkünsten: Toni sagt uns, was im Zusammenspiel der Kräfte mit dem Tiny House alles möglich ist.

Toni, welche Vorteile siehst du als Statiker im Bauen mit Massivholz?

Toni Klöck: Massivholz ist längs und quer tragfähig. Deswegen ist es viel stabiler als alles andere. Es hat wenig Eigengewicht, ist relativ flexibel und sehr tragfähig. Deswegen kann man mit Kreuzlagen-Elementen viele Varianten durchspielen.

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“Durch die kreuzlagenweise Verleimung der Massivholzplatten verteilt das #FL2 die Lasten in alle Richtungen.”Anton Klöck

Gibt es ein anderes Baumaterial, mit dem das in dieser Form möglich ist?

Toni: Das geht auch mit Stahlbeton. Der hat allerdings ein viel höheres Eigengewicht. Möglich ist alles irgendwie. Aber Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, der obendrein noch CO2 speichert. Dafür gibt es meiner Meinung nach keine Alternativen, die mithalten können.

Ist es das, was dich am Bauen mit Holz reizt?

Toni: In erster Linie ist es der ökologische Gedanke, ja. Bevor ich mit dem Holzbau angefangen habe, habe ich acht Jahre lang im Brückenbau gearbeitet. Da hatte ich dann einmal ein Schlüsselerlebnis mit einer Bodenplatte, die 2,50 Meter dick und aus Beton war. So viel Beton!

Für mich als Statiker ist das Bauen mit Holz aber auch einfach interessanter, weil man beim Rechnen viel mehr ins Detail gehen muss. Für Beton gibt es standardisierte Details, es gibt jede Menge Statiksoftware. Der Holzbau wird dagegen stiefmütterlich behandelt. Wenn du mit Holz rechnest, brauchst du mehr Freude an der Statik. Es gibt immer wieder neue Varianten.

Wo liegen dabei die Unterschiede zwischen Massivholzbauweise und Holzständerbauweise?

Toni: Der Bau mit Massivholz ist wertstabiler als die Holzständerbauweise, weil du dort leichter Veränderungen vornehmen kannst. Wenn du zum Beispiel eine Fensteröffnung in einer Massivholzwand vergrößern möchtest, schneidest du sie aus. Das geht relativ einfach. Bei der Holzständerbauweise stoßen wir da immer wieder an Grenzen.

Das kann man sich so vorstellen: Bei der Holzständerbauweise hast du standardmäßig alle 62,5 Zentimeter eine Holzstütze. Das kommt daher, dass die üblichen Beplankungen wie Gipsfaser- oder OSB-Platten 2,50 Meter breit sind. Durch vier geteilt kommst du auf 62,5 Zentimeter. Möchte ich ein Fenster außerhalb dieses Rasters, brauche ich eine zusätzliche Stütze. Das später zu ändern, ist kompliziert.

Massivholzhäuser sind außerdem statisch wesentlich stabiler. Bei der Massivholzbauweise hast du eine geschlossene Fläche, die zwar nur zehn oder zwölf Zentimeter dick ist, die aber eine wesentlich bessere Lastenübertragung hat als die Holzständerbauweise.

Das heißt, ein in sich geschlossenes Massivholzelement wie das #FL2 ist eine extrem stabile Konstruktion?

Toni: Genau. Durch die kreuzlagenweise Verleimung verteilt es die Lasten in alle Richtungen. Also nicht nur senkrecht wie bei Stützen, die Lasten von oben nach unten verteilen, sondern eine Last, die oben auf der Wand steht, verteilt sich unter 45 Grad bis zum Boden. Eigentlich genauso wie bei einer Betonwand. Nur ist hier der Vorteil, dass die Holzwand viel leichter ist. Und wenn man das ins Verhältnis zum Gewicht setzt, ist sie im Vergleich viel stabiler.

Ist das #FL2 also quasi unkaputtbar?

Toni: (Lacht). Das ist zu weit gegriffen. Wenn es keine Fenster hätte, wäre es was anderes. Aber es hat ja die giebelseitige Vollverglasung.

Versetzen kann man es aber schon, ohne dass es an Wert und Stabilität einbüßt?

Toni: Ja, das geht.

Wenn wir gerade dabei sind, noch ein Gedankenspiel: Wie viele #FL2 würdest du guten Gewissens übereinander stapeln?

Toni: Das hängt maßgeblich vom Grundriss ab. So, wie sie standardmäßig geplant sind, könnte man bestimmt drei oder auch vier direkt aufeinander stellen – von den vertikalen Lasten her wäre das überhaupt kein Problem.

Was ich allerdings berücksichtigen muss, ist der Wind. Wie bei einem Hochhaus wird die Windlast immer größer, je höher wir gehen. Die muss ich irgendwie in den Boden ableiten und dafür bräuchte ich zusätzliche Wände und unten Verankerungspunkte. Technisch könnte man das lösen, das wäre allerdings ein zusätzlicher Aufwand. Den habe ich aber bei allen Bauweisen – das ist unabhängig vom Holz.

Du hast vorhin gesagt, dass das Bauen mit Holz noch vergleichsweise unerschlossen ist. Wo siehst du momentan noch Grenzen?

Toni: Im Hochhausbau gibt es natürlich Grenzen. Da ist man mit Beton schon 50 Jahre weiter. Aber klar, hier kann man noch viel mehr leisten. Im Brandschutz ist auch eine Grenze gesetzt. Wenn das letzte Geschoss über sieben Meter geht, gehört ein Haus zur „Gebäudeklasse Vier“. Dann musst du eigentlich das komplette Holzhaus zwei Mal in Gips einkapseln. Hier müsste der Gesetzgeber die Brandschutznorm überarbeiten.

Diese Grenze nach oben ist also gesetzlicher Natur und nicht den Eigenschaften des Holzes geschuldet?

Toni: Ja.

Heißt das, dass ein über sieben Meter hohes Holzhaus in Sachen Brandschutz genauso sicher wäre wie ein drei Meter hohes?

Toni: Genau. Das Holz brennt zwar, aber es bleibt stehen. Es dauert bis zu 120 Minuten, bis es nicht mehr tragfähig ist. Jeder Feuerwehrmann bestätigt dir das: in eine brennende Holzhalle geht er noch hinein, in eine Stahlhalle, in der es brennt, nicht. Der Stahl schmilzt nämlich.

Vielen Dank für das Gespräch, Toni!