Bauingenieurin Meike Hoheisel vom Ingenieurbüro Alischer | Buchner | Hoheisel übernimmt seit knapp zehn Jahren die Bauleitung für private und öffentliche Projekte. In dieser Zeit hat sie sich oft gewundert: Wahnsinnig viel Müll auf den Baustellen, in Plastik verpackte Baustoffe, teure Häuser, in denen die Luft steht und deren Raumklima einen Fluchtreflex auslöst. „Das muss besser gehen“, dachte sie und bildete sich zur Baubiologin und baubiologischen Energieberaterin fort. Das hat uns zusammengebracht: Meike berät uns beim Modulhaus zu Fragen ökologisch sinnvoller und effizienter Dämmung, geeigneten Materialien und Techniken.
Meike, moderne Gebäude sollen möglichst dicht sein, um Energie zu sparen und die Umwelt zu schonen. Wie wird das in der Praxis umgesetzt?
Meike: Wir müssen dicht bauen, wenn wir den Planeten retten wollen. Wir können die kostbare Energie nicht unkontrolliert aus Fugen und Ritzen schicken. Deswegen sollte ein Gebäude nicht durch Spalten, Fugen oder offene Ritzen warme Luft verlieren und dadurch Energie mitnehmen. Das nennt man Konvektion.
Das ist Schritt eins, dass man sagt: Wir gucken uns all diese neuralgischen Stellen an, ob die dauerhaft richtig zu sind – über verschiedene Ausdehnungszustände, über verschiedene Alterungszustände. Das muss für die Lebensdauer funktionieren.
Was ist mit den Wänden, sollen die auch ganz dicht sein?
Meike: Im zweiten Schritt schaust du dir das Bauteil an sich an. Losgelöst von dem Raumkörper, nur die Wand an sich. Die muss immer zweierlei können: sie muss zum einen natürlich die Dichtigkeit geben, die ich gerade beschrieben habe.
Aber gleichzeitig sollte sie schon in der Lage sein, mit Feuchtigkeit umzugehen. Menschen, Pflanzen, unsere Wäsche: All das bringt Feuchtigkeit in den Raum. Ein Wandaufbau, der diese Feuchtigkeit nach außen transportieren kann, ist deutlich im Vorteil gegenüber einem, der das nicht tut. Das nennt man Diffusion.
Beispiel Betonwand mit einem klassischen Industrie-Maschinen-Putz und einer Dispersionsfarbe: Die ist dicht, was die Konvektion angeht, die ist aber auch dicht, was die Diffusion angeht. Vor allem die Dispersionsfarbe ist hier das Problem, denn die ist im Endeffekt eine aufgestrichene Plastikfolie.
Das heißt, die Feuchtigkeit, die im Raum entsteht, bleibt auf der Oberfläche sitzen. Und wenn die Oberflächentemperatur sinkt, fällt sie auch an der Stelle aus. Dort habe ich dann langfristig Schimmel.
Kommt Massivholz besser mit Feuchtigkeit klar als Beton?
Meike: Ja. Hier spielt zusätzlich noch das Sorptionsverhalten der Baustoffe eine Rolle – also ihre Fähigkeit, Feuchtigkeit aufzunehmen. Wenn ich mit sorptionsfähigen Materialien arbeite, die die Feuchtigkeit zwischenpuffern können, also Massivholz, Lehmputz, Kalkputz – und die vor allem nicht an der Oberfläche mit einer Dispersionsfarbe zuschmiere, dann habe ich dieses Thema der Feuchtigkeit, die erstmal nirgendwo hin kann, nicht mehr. Weil die im Prinzip zunächst aufgesaugt und dann auch wieder abgegeben wird.
Eine Vollholzwand saugt die Feuchtigkeit also wie ein Schwamm auf und lässt sie nach außen wandern, wo sie dann lufttrocknet?
Meike: Genau. Gerade im Holzbau versuchen wir heute so zu bauen, dass wir sagen, die Feuchtigkeit, die im Bauteil irgendwie entsteht, kann nach außen wegtrocknen. Wobei du tatsächlich schaust, dass deine Feuchtigkeit zunächst mal im Raum bleibt.
Warum das?
Meike: Gerade in der Wintersituation will ich ja eigentlich gar nicht soviel Wasser weghaben. Denn gerade im Winter ist trockene Heizluft ja ein Thema.
Wenn ich Materialien wie Vollholz habe, die mit Feuchtigkeit umgehen können, kann ich Feuchte aus Kochen oder Duschen wie in einen Schwamm in meine Wand reinpacken und die befeuchtet zwei Stunden später, wenn die Luft eigentlich schon wieder etwas zu trocken ist, die Raumluft – und das auch super hygienisch.
Weil sich dort kein Schimmel bildet, weil die Feuchtigkeit nicht auf der Oberfläche verhockt, sondern sich ein bisschen nach hinten zurückzieht. Das Aufsaugverhalten passiert in den ersten zwei, drei Zentimetern – da bleibt die Feuchtigkeit tendenziell.
Das ist das Charmante daran: Ich packe die Feuchtigkeit dahin, wo sie keine Schäden verursacht, speichere sie zwischen und gebe sie auch gleich wieder ab. Das wirkt dann ausgleichend auf das Raumklima.
Welchen Beitrag sollte die Dämmung leisten, damit das funktioniert?
Meike: Ein guter Wandaufbau sollte fehlertolerant sein. Es geht darum, zu verhindern, dass ich im Bauteil einen Tauwasserausfall habe und deswegen die Dämmung zum Beispiel im Wandaufbau schimmelt. Zugleich habe ich immer Feuchtigkeit und Konvektion, weil wir nicht im Labor bauen, sondern in der echten Welt. Es gibt immer Fehler.
Wenn du dann sagst: ok, ich habe diesen Fehler, der nicht planmäßig, aber nun mal die Realität ist, und ich bin trotzdem in der Lage, meine Feuchtigkeit, die da irgendwo anfällt und in die Konstruktion wandert, nach außen abzutrocknen – dann hast du robust gebaut.
Das ist es im Endeffekt, was Max mit dem HOME will: Etwas, was lange hält und fehlertolerant ist, ist immer nachhaltiger als eine Konstruktion, die absolut keine Fehler verzeiht.
Welche Materialien können das leisten?
Meike: Eine Holzfaser-, oder eine Schafwolle- oder Jutedämmung, das ist eigentlich egal – die ganzen natürlichen Dämmstoffe kommen relativ gut mit Feuchtigkeit klar, weil sie diese zusätzlich zur Diffusion auch noch kapillar transportieren. Das Holz transportiert über seine Struktur zusätzlich noch Feuchtigkeit dorthin, wo sie trocknen kann.
Mineralwolle dagegen, die einmal nass ist, bleibt nass. Selbst wenn sie irgendwann einmal trocknet, ist sie so in sich zusammengefallen, dass sie keine Wirkung mehr hat. Das ist wie bei einer Daunenjacke, die du in die Waschmaschine schmeißt und sie dann zusammengeknüllt liegen lässt: Die ist dann auch nicht mehr warm. Da muss man die Daunen wieder aufschütteln.
Bei der verbauten Mineralwolle macht das aber keiner. Wenn die irgendwo in der Konstruktion sitzt, kommst du ja nie wieder hin. Wenn da potenziell irgendwo Feuchtigkeit reinzieht und die mit den Jahren immer nasser wird, dann verliert die ihre Dämmeigenschaft und ist damit kaputt.
So was passiert mit Holzfaser nicht?
Meike: Die wird schon auch nass, aber die trocknet auch schneller wieder. Und wenn sie getrocknet ist, ist sie eigentlich auch wieder genauso gut wie vorher – etwas, was du von konventionellen Dämmstoffen häufig nicht behaupten kannst.
Es gibt natürlich auch synthetische Stoffe, die dazu gemacht werden, im Nassen eingebaut zu werden. Alles, was im Kellerbereich eingebaut wird oder die PUR-Schäume, mit denen man auch Dächer isoliert. Die können das auch.
Die haben allerdings wieder das Thema, dass sie total diffusionsdicht sind und damit bist du wieder dabei, das Haus komplett abzudichten. Mit diesem PUR-Schaum bringst du das Prinzip, nach außen hin abzutrocknen, gar nicht gut hin. Mineralwolle ist schon irgendwo eine offene Struktur. Aber die kann halt wieder nicht mit Feuchtigkeit umgehen.
Bei der Dämmung geht es darum, eine bestimmte Temperatur im Raum zu erreichen – und diese dann auch zu halten. Wie wird das in der Praxis gemacht?
Meike: Über thermische Speicherkapazität. Viele der konventionellen Dämmstoffe haben die nicht. Das heißt, sie geben Wärme oder Kälte relativ schnell weiter. Sie haben einen gewissen Dämmwert, der in einem statischen Versuch ermittelt wird: Außen warm, Innen kalt, was macht der Dämmstoff?
“Der Sommerfall wird in Zukunft relevanter werden. Wenn ich ein Haus baue, das Hitze relativ gut wegstecken kann, ist das um Klassen besser, als die Klimaanlage einzuschalten.”
Bei Mineralwolle zum Beispiel stellt sich unheimlich schnell dieser Zustand ein, den man im Labor ermittelt. Er verfliegt aber auch schnell wieder.
Eine Holzfaser dagegen hat sehr viel thermische Speicherkapazität. Das kannst du dir so vorstellen: Wenn es außen heiß wird, muss sich Zentimeter für Zentimeter von der Wand aufwärmen, damit sie diese Wärme weitergibt.
Erst, wenn die gesamte Wanddicke Zentimeter für Zentimeter erwärmt ist, kommt die Wärme auch innen bei mir an. Wenn das Bauteil dagegen sehr wenig Wärme speichern kann, geht das ganz schnell.
Was bedeutet das bei sommerlichen Temperaturen?
Meike: Dass man es mit einer Holzweichfaser schafft, die Temperaturspitze, die man normalerweise mittags zwischen 12 und 15 Uhr hat, in die Nacht zu verlegen. Dadurch bin ich in der Lage, das Fenster zu öffnen und das wieder abzulüften. Und es trifft mich nicht in einem Moment, wo es eh schon so heiß ist.
Das ist etwas, was ein PUR-Schaum, eine Mineralwolle- oder Styropordämmung nicht besonders gut schaffen.
Der Sommerfall wird in Zukunft relevanter werden. Wenn ich ein Haus baue, das Hitze relativ gut wegstecken kann, ist das natürlich um Klassen besser, als eine Klimaanlage einzuschalten.
Wie sieht es im Winter aus?
Meike: Das gilt auch im Winterfall. Denn auch da kann ich, sobald mein Haus Wärme speichern kann, diese Wärme auch weit in die Nacht tragen. Wenn an einem kalten Wintertag die Sonne auf eine Massivholzwand scheint, habe ich da Oberflächentemperaturen, die deutlich höher sind als die Lufttemperatur. Diese Wärme wird erstmal gespeichert.
Deswegen ist ein Tiny House, in dem ich zehn Zentimeter Massivholz habe, wesentlich energieeffizienter als das gleiche Tiny House in einer reinen Ständerbauweise, die am besten noch mit Mineralwolle gedämmt ist. Auf dem Papier kommt rechnerisch für den Energiebedarf das gleiche Ergebnis raus.
Doch eine Bauweise und Materialien, die speicherfähig sind, sind tendenziell energieeffizienter, weil ich weniger zuheizen muss. Weil ich die Wärme vom Tag mitnehmen kann. Leider wird das in den Rechenmodellen nicht berücksichtigt.
Eine Vollholzwand nimmt die Wärme des Tages mit?
Meike: Ja, auf jeden Fall. Eine schwere Ziegelwand kann das noch besser. Auch bei ungebrannten Lehmsteinen lacht das Herz der Baubiologin. Aber das Holz ist schon ziemlich gut.
Vielen Dank für das Gespräch, Meike!